Gewitter der Neuzeit

Überlegungen zur Rolle damaliger meteorologischer
Kenntnisse in der Kunst

Madeleine Winkler, MA


Das Dissertationsvorhaben mit dem Arbeitstitel „Gewitter der Neuzeit: Überlegungen zur Rolle damaliger meteorologischer Kenntnisse in der Kunst“ widmet sich der künstlerischen Umsetzung und dem kulturellen Wert des Naturphänomens Gewitter im frühneuzeitlichen Europa und soll einen Ausblick darauf geben, inwieweit Kunst zum Erkenntnisgewinn beitragen kann. Das Forschungsvorhaben versammelt Untersuchungsobjekte, die einander in dieser Konstellation noch nicht gegenüber gestellt wurden und durch den Perspektivwechsel auf das Gewittermotiv mittels der Klima- Wissens- und Wissenschaftsgeschichte vereint werden. Fast allen Objekten ist gemein, dass die Forschung das Gewittermotiv beiläufig behandelt. Die Arbeit fokussiert daher die umfangreichen Möglichkeiten der Darstellung und die Komplexität der Ikonographie von Gewittermotiven. Insbesondere die Rolle der Transparenz des Naturphänomens geht über die ikonographische Entschlüsselung hinaus und stellt die westliche Kunst mit ihren Gesetzten vor die Herausforderung das Unsichtbare, den sogenannten corpora caeca, darzustellen. Da mein Vorhaben sich auf die Untersuchung von Darstellungen des meteorologischen Phänomens „Gewitter“ in der Kunst der europäischen Neuzeit fokussiert, basiert die Herangehensweise auf motivischen und vergleichenden Analysen von Gewitterdarstellungen und deren Einordnung in die Klima-, Wissens- und Wissenschaftsgeschichte. Der zeitliche Rahmen umfasst das 16. Jahrhundert, wobei der Startpunkt durch die erste bekannte und gewollt naturnahe wie auch atmosphärische Darstellung von Gewitter in Giorgiones „Tempesta“ gesetzt ist. Geografisch ist das Vorhaben auf den europäischen Raum eingegrenzt und es werden darüber hinaus verschiedene Kunstgattungen angeführt - wobei jene der Malerei klar überwiegt. Die Untersuchung von Gewitter als naturwissenschaftliches Wetterphänomen ist umfangreich und deckt durch seine Begleiterscheinungen die Aspekte Wind, Regen und Licht- bzw. Blitzverhältnisse ab, weshalb hier auf die meteorologischen Kenntnisse der jeweiligen Entstehungsjahre und Orte der Untersuchungsobjekte fokussiert wird.
In Bezug auf die klimatischen Bedingungen der Kleinen Eiszeit lassen sich eher schwierig aussagekräftige Ergebnisse erzielen. Von 1500 bis 1715 wurde beispielsweise ein dramatischer Anstieg von Unwetterschäden verzeichnet, die sich beinahe jährlich ereigneten. Ein Rückgang dessen lässt sich erst ab 1610 fassen. In der Renaissance stellen sich die Naturwissenschaften mittels der Rückbesinnung auf antike Kenntnisse neu auf. Als Folge dessen manifestiert sich die Meteorologie ab 1500 zunehmend als eigenständiges naturwissenschaftliches Fach. Die neuzeitliche Kunst reagiert auf diese wissenschaftliche Entwicklung und der künstlerische Umgang mit Wetterphänomenen eröffnet neuartige Darstellungsweisen. Gleichzeitig scheint die Kunst ihren eigenen Nutzen aus dem Gewittermotiv zu ziehen/ es zu instrumentalisieren, sei es die werkimmanente Rolle einer narrativen und/oder atmosphärischen Komponente oder - in soziokulturellem Rahmen - die argumentative Auslegung des Motivs im Streitdialog mit der Bildhauerei im Paragone.
Die rezente kunsthistorische Forschung fokussiert sich bezüglich der klima- und wissenschaftsgeschichtlichen Aspekten von Kunstwerken bislang primär auf die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts. Hier werden besonders auch umweltgeschichtliche Aspekte einzelner Werke wie bei Pieter Bruegel d.Ä. besprochen, was hilfreich ist, um das Verhältnis von Mensch und Natur neu auszuloten. Hier kann das Projekt, mittels einer zunehmend naturwissenschaftlichen Perspektive auf Gewitterbilder der Neuzeit, die rezente kunsthistorische klima- und wissenschaftsgeschichtliche Forschung ergänzen. Der Bilderatlas eröffnet die Möglichkeit, Werke in ihren Kontext einzusortieren, aber ebenso nach motivischer Umsetzung neu zu ordnen und verschiedene Verbindungen auszutesten.

Madeleine Winkler, MA


Madeleine Winkler promoviert an der Universität Bonn und arbeitet zudem als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Fresenius in Köln. In ihrem Dissertationsvorhaben behandelt sie den Zusammenhang von Kunst und Wissenschaft der Renaissance in Hinblick auf Gewitterdarstellungen und baut damit auf Kenntnissen aus ihren beiden Mastern in Kunstgeschichte (Uni Bonn) und Renaissance-Studien (Universitäten Bonn und Florenz) auf.